Für wen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?
Die meisten Menschen verdanken den erreichten Lebensstandard ihrem Arbeitseinkommen. Fällt dieses infolge eines Unfalls oder einer schweren Krankheit mehrere Jahre oder sogar dauerhaft aus, droht ohne private Vorsorge finanzielle Not.
Aber Berufsunfähigkeit kann jeden treffen. Statistisch gesehen wird jeder vierte Berufstätige vor Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters zumindest zeitweise berufsunfähig. Auch die Digitalisierung und Automatisierung in den Unternehmen hat daran nichts geändert – nur die Gründe haben sich verschoben. Waren vor Jahren noch Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates Hauptursache für Berufsunfähigkeit, sind es jetzt Erkrankungen der Psyche und der Nerven.
Und die gesetzliche Erwerbsminderungsrente der „Deutschen Rentenversicherung“ kann die finanziellen Folgen kaum lindern. Denn wird der Betroffene „nur“ berufsunfähig, gibt es keine Leistungen. Die volle bzw. halbe Erwerbsminderungsrente gibt es erst, wenn der Versicherte gar keiner Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 3 bzw. 6 Stunden mehr nachgehen kann. Außerdem ist diese staatliche Leistung an weitere Voraussetzungen (Pflichtbeitragsjahre und Wartezeiten) gebunden und zum Erhalt des erreichten Lebensstandards viel zu niedrig. Die Höhe der „Rente wegen voller Erwerbsminderung“ können Versicherte ab dem 27. Geburtstag der jährlich zugesandten Renteninformation entnehmen.
Deshalb ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung für alle (auch zukünftigen) Arbeitnehmer und Selbstständigen sinnvoll, die zur Erhaltung ihres Lebensstandards auf ihre Arbeitskraft angewiesen sind bzw. dies sein werden.
Hier können Sie Beiträge und Versicherungsbedingungen zu Berufsunfähigkeitsversicherungen verschiedener Gesellschaften vergleichen:
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist sinnvoll – bei verspätetem Abschluss aber unbezahlbar
Die Gefahr einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lauert nicht nur im Beruf. Auch Unfälle und Verletzungen im privaten Bereich bei Haushaltsarbeiten und Freizeitaktivitäten können die berufliche Karriere beenden. Häufig führen auch familiäre Probleme und Schicksalsschläge zu Erkrankungen der Psyche und letztlich zum Verlust der Arbeitskraft. Auch viele andere Krankheiten wählen ihre Opfer nicht anhand derer Berufe aus.
Bei Arbeiten mit körperlicher Belastung überwiegen Beeinträchtigungen des Skelett- und Bewegungsapparates als Ursache – bei geistig anspruchsvollen und stressigen Tätigkeiten sind psychische Erkrankungen häufiger.
Deshalb ist die Berufsunfähigkeitsversicherung für alle Berufsgruppen sinnvoll und wird auch von Verbraucherzentralen empfohlen. Berufstätige mit (statistisch gesehen) geringem BU-Risiko zahlen niedrigere Beiträge. Handwerker und andere körperlich Tätige haben für den gleichen Schutz deutlich höhere Kosten. Ob dies sozial gerecht ist, sei mal dahin gestellt. Denn jede Berufsgruppe leistet ihren Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft. Und es ist für mich nicht nachvollziehbar, wenn wir in Krisenzeiten den Pflegekräften, Berufskraftfahrern und Abfallentsorgern für ihre zuverlässige Arbeit applaudieren – beim Berufsunfähigkeitsschutz aber dann das Solidarprinzip vergessen und risikogerechte Beiträge fordern. Derzeit ist dies aber so.
Bei der Beantragung dieser Versicherung muss jeder Antragsteller umfangreiche Fragen
- zur aktuell ausgeübten Berufstätigkeit,
- zu bereits erlittenen Vorerkrankungen innerhalb der letzten 3, 5 bzw. 10 Jahre,
- zu bestehenden Freizeitrisiken (z. B. Berg-, Flug-, Kampf-, Motor- oder Wassersport) und
- geplanten Auslandsaufenthalten (Urlaubsreisen ausgenommen)
beantworten. Wer diese Fragen falsch oder unvollständig beantwortet, verletzt seine vorvertragliche Anzeigepflicht und erhält dann im Falle einer Berufsunfähigkeit womöglich keine Leistungen – trotz jahrelanger Beitragszahlung.
Deuten die Antworten auf diese Fragen auf ein erhöhtes Berufsunfähigkeitsrisiko hin, nehmen die Versicherer den Antrag häufig nur mit einem Risikozuschlag oder einem Leistungsausschluss an. In solchen Fällen wird der Schutz teuer oder lückenhaft. Im Extremfall kann der Abschluss sogar unmöglich werden.
Deshalb ist der frühzeitige Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll – also noch bevor solche erhöhten Risiken für den Versicherer offensichtlich werden. Erhöht sich das Risiko während der Vertragslaufzeit durch eine andere Berufstätigkeit oder durch ein neues, risikoreiches Hobby, muss dies nicht nachgemeldet werden.
Tipp 1:
Krankheiten und Verletzungen kommen unverhofft. Warten Sie also nicht, bis gesundheitliche Beschwerden an die Notwendigkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung „erinnern“. Beantragen Sie die Versicherung, solange Sie gesund sind und diese ohne Risikozuschlag oder Leistungsausschluss bekommen.
Selbst harmlos erscheinende Beschwerden (wie eine kürzlich erlittene Rückenverspannung, eine Gastritis oder Knieverletzung) können die Antragstellung erschweren. Bei schweren Krankheiten droht häufig sogar eine Ablehnung.
Tipp 2:
Für handwerklich und körperlich Tätige ist der BU-Schutz teuer. Eltern, deren Kinder einen solchen Beruf erlernen wollen, sollten die Berufsunfähigkeitsversicherung für ihr Kind noch während der Schulzeit abschließen. Dann ist das Berufsrisiko für den Versicherer noch nicht absehbar und der Versicherungsschutz bezahlbar. Mit dem richtigen Tarif sichern Sie ihrem Kind so dauerhaft niedrige Beiträge – sogar für spätere Erhöhungen der versicherten BU-Rente.
Ähnliches gilt auch für Gymnasiasten, die nach dem Abitur ein Lehramt-, Kunst- oder Schauspielstudium beginnen wollen.
Ist die Versicherung auch für Schüler, Azubis und Studenten sinnvoll?
Ja! Diese Antwort mag zunächst verwundern, denn diese Personen haben noch keinen echten Beruf. Außerdem ist das BU-Risiko in diesem Alter vergleichsweise gering – allerdings auch nicht ausgeschlossen.
Der Hauptgrund für das eindeutige „Ja“ ist: Auch Jugendliche erleiden durch Krankheit, Stress oder Unfall gesundheitliche Beschwerden. Sie werden deswegen dank ihrer Konstitution und der medizinischen Möglichkeiten nur selten schul-, studier- bzw. berufsunfähig. Aber mit zunehmendem Alter und bereits erlittenen Vorerkrankungen kann es schwierig bis unmöglich werden, eine gute und bezahlbare Berufsunfähigkeitsversicherung (also ohne Leistungsausschluss oder Risikozuschlag) zu bekommen. Wichtig ist, den Vertrag noch jung und gesund abzuschließen.
Wichtig für Schüler
Eine echte Berufsunfähigkeitsversicherung für Schüler können Eltern bereits für Kinder ab dem 6. Lebensjahr abschließen. Für die Tarifauswahl ist wichtig, dass
- während der Schulzeit die konkrete Tätigkeit des Schülers versichert ist,
- keine Nachmeldung bei erstmaliger Aufnahme einer Berufsausbildung, eines Studiums oder einer beruflichen Tätigkeit gefordert wird,
- der Tarif auch später erstklassige Versicherungsbedingungen bietet – ganz gleich ob der Versicherte dann Azubi, Student, Arbeitnehmer oder selbstständiger Unternehmer ist,
- nach einem Wechsel in einen risikoärmeren Beruf eine Überprüfung Berufsgruppe und des Beitrags angeboten wird und
- gute Möglichkeiten zur Erhöhung der versicherten BU-Rente während der Vertragsdauer existieren.
Für Schulabgänger, die einen handwerklichen Beruf erlernen wollen, ist die Antragstellung noch während der Schulzeit meist die letzte Chance auf einen bezahlbaren BU-Schutz.
Wissenswert für Azubis
Auszubildende werden entsprechend dem Berufsziel eingestuft. Deshalb sind die Beiträge für Azubis in Büroberufen niedrig, für Azubis in körperlich anstrengenden Berufen jedoch oft schon unbezahlbar.
Während der Ausbildung gilt je nach Tarif der angestrebte Beruf oder die aktuelle Ausbildung als versichert. Im letzteren Fall ist jedoch laut BGH-Urteil (Az. IV ZR 119/09) zusätzlich auch die damit angestrebte Berufstätigkeit heranzuziehen. Deshalb bieten diese Tarife bessere Möglichkeiten, Leistungsansprüche geltend zu machen.
Gilt dagegen nur das Berufsziel als versichert, stellt sich die Frage, wie sinnvoll diese Regelung ist, wenn der Versicherte mit seinen gesundheitlichen Beschwerden zwar den angestrebten Beruf ausüben könnte – aber die hierfür erforderliche Ausbildung nicht beenden kann.
Deshalb ist es für Auszubildende besser, wenn zur Ermittlung des BU-Grades die Berufsausbildung und zugunsten des Versicherten auch das angestrebte Berufsziel herangezogen wird.
Weitere Informationen hierzu finden Sie auf unserer Seite zur Berufsunfähigkeitsversicherung für Azubis.
Besonderheiten bei Studenten
Hier erfolgt die Berufsgruppeneinstufung anhand der Studienrichtung. Deshalb muss ein Informatik-Student für den gleichen BU-Schutz deutlich weniger zahlen als ein Lehramtsstudent.
Bei Berufsunfähigkeit während des Studiums sollten für die Ermittlung des BU-Grads die konkreten Tätigkeiten im Studium maßgeblich sein. Einige Anbieter legen dagegen das Mindestanforderungsprofil des Berufes zu Grunde, das dem angestrebten Studienabschluss entspricht. Eine solche Variante kann schnell zum Streit führen. Denn oft werden versicherte Person und Versicherungsgesellschaft sehr unterschiedliche Vorstellungen von diesem Mindestanforderungsprofil haben.
Bitte lesen Sie auch unsere weiteren Hinweise zur Berufsunfähigkeitsversicherung für Studenten.
Wichtig für Selbstständige
Grundsätzlich können alle BU-Versicherer bei Selbstständigen prüfen, ob durch eine zumutbare Umorganisation der Arbeitsabläufe der Grad der Berufsunfähigkeit so reduziert werden kann (meist 50 %), so dass keine Versicherungsleistungen fällig werden.
Doch in welchem Rahmen ist eine Umorganisation zumutbar? Hierzu gab es in der Vergangenheit häufig unterschiedliche Auffassungen zwischen Versicherungsgesellschaft und Versicherten. Inzwischen verzichten immer mehr Versicherer – insbesondere bei Betrieben mit weniger als 5 Mitarbeitern – auf eine solche Umorganisation. Deshalb ist es ratsam, vor Vertragsabschluss auf den Wortlaut dieser Umorganisationsklausel zu achten. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf unserem Artikel zur Berufsunfähigkeitsversicherung für Selbstständige.
Hinweis für Beamte
Beamte auf Lebenszeit mit mehr als fünf Jahren Dienstzeit werden im Falle einer Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und erhalten von ihrem Dienstherrn eine Versorgung, die mit der Dauer der Dienstzeit steigt. Damit sind diese Beamten deutlich besser gestellt, als andere Arbeitnehmer.
Für Beamte auf Probe und Beamte auf Widerruf trifft dies nicht zu. Für sie ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung – eventuell mit Dienstunfähigkeitsklausel – durchaus sinnvoll. Eine echte Dienstunfähigkeitsklausel verbessert zwar nicht zwingend den Versicherungsschutz, erleichtert aber den Nachweis der Berufsunfähigkeit. Denn hierfür sind dann die Urkunde zur Ruhestandsversetzung und das amtsärztliche Zeugnis ausreichend.
Details über Ansprüche von Beamten bei Dienstunfähigkeit finden Sie hier in diesem Artikel des geschätzten Kollegen Philip Wenzel.
Berufsunfähigkeitsversicherung richtig dimensionieren
Beim Abschluss dieser Versicherung legen Sie die Versicherungs- und Leistungsdauer verbindlich fest. Sie kann nachträglich nicht mehr erhöht werden. Nur wenn der Gesetzgeber wieder das Renteneintrittsalter erhöht, bieten einige Tarife eine Verlängerungsoption. Deshalb ist in der Regel eine Versicherungs- und Leistungsdauer bis zum voraussichtlichen Renteneintrittsalter empfehlenswert. Denn es hilft wenig, sich beispielsweise bis zum 60. Lebensjahr gut abzusichern und danach in die Altersarmut abzurutschen.
Auch die Höhe der versicherten BU-Rente ist wichtig. Diese sollte so vereinbart werden, dass davon alle erforderlichen Ausgaben zur Erhaltung des gewünschten Lebensstandards beglichen werden könnten. Häufig muss auch die private Altersvorsorge aufgestockt werden, weil dann auch die bisherigen Arbeitgeberanteile für die gesetzliche Rentenversicherung entfallen. Ausnahmen gelten für noch nicht Berufstätige und Berufsanfänger. Für sie ist es aus Budgetgründen meist notwendig, zunächst eine niedrigere BU-Rente zu versichern und diese später im Rahmen der Nachversicherungsgarantie ohne erneute Gesundheits- oder Risikoprüfung zu erhöhen.
Die Versicherungen haben meist Vertragslaufzeiten von 30 Jahren und mehr. Deshalb ist die Vereinbarung einer Dynamik (Beitragsdynamik) wichtig. Denn auch wenn Ihnen aus heutiger Sicht eine monatliche BU-Rente in Höhe von beispielsweise 2.000 Euro ausreichend erscheinen mag – in 20 Jahren werden diese 2.000 Euro eine Kaufkraft wie heute 1.346 Euro haben (2 Prozent jährliche Inflation unterstellt). Durch die Beitragsdynamik kann die versicherte Rente jährlich angepasst werden, um den Kaufkraftverlust durch die Inflation auszugleichen.
Welche Alternativen gibt es zur privaten BU-Absicherung?
Sollten Sie wegen bereits erlittener Vorerkrankungen keine private BU-Versicherung mehr abschließen können, können Sie bei Ihrem Arbeitgeber nachfragen, ob er eine betriebliche BU-Versicherung anbietet. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern können mit einigen Versicherern Kollektiv-Verträge vereinbaren, um ihre Arbeitnehmern BU-Schutz mit teilweise stark vereinfachter Gesundheitsprüfung anzubieten. Manchmal ist sogar schon eine Dienstobliegenheitserklärung des Arbeitgebers ausreichend.
Ansonsten gibt es kaum Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
Unfallversicherungen zahlen einen einmaligen Betrag oder bei entsprechender Vereinbarung auch eine monatliche Rente, wenn die versicherte Person durch einen Unfall einen bestimmten Invaliditätsgrad erleidet. Aber Unfälle sind nur zu ca. 10 % Ursachen einer Berufsunfähigkeit.
Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung leistet zwar auch, wenn der Leistungsfall infolge irgendeiner Krankheit oder Körperverletzung eingetreten ist. Die Leistung wird aber erst fällig, wenn der Betroffenen täglich nur noch weniger als drei Stunden in irgendeinem Beruf arbeiten kann.
Auch Dread-Disease- oder die derzeit häufig beworbenen Grundfähigkeitsversicherungen bieten nur einen sehr eingeschränkten Schutz. Sie stellen eine sogenannte Ausschnittsdeckung dar und zahlen oder verweigern ihre Leistungen unabhängig davon, ob der zuletzt ausgeübte Beruf noch ausgeübt werden kann. Die Hauptursachen für Berufsunfähigkeit bleiben meist unversichert.