Die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung (bBU) – Vor- und Nachteile
Die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung (bBU) ist eine Variante der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) und kann als selbstständige Versicherung oder auch als Zusatzversicherung zu einer Renten- oder Lebensversicherung abgeschlossen werden. Im Gegensatz zur privaten Berufsunfähigkeitsversicherung schließt bei der betrieblichen Variante der Arbeitgeber die Versicherung im Rahmen eines Gruppenvertrags für seine Mitarbeiter ab. Der Arbeitgeber ist Versicherungsnehmer und Beitragszahler. Der Arbeitnehmer ist versicherte Person und im Falle seiner Berufsunfähigkeit auch bezugsberechtigte Person.
Die betriebliche BU-Absicherung bietet sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer verschiedene Vor- und Nachteile. Dies wollen wir nachfolgend genauer betrachten.
Vorteile der betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung für den Arbeitgeber
Der Abschluss einer betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung setzt zwar eine gute Vorbereitung voraus, kann aber für den Arbeitgeber mehrere Vorteile bieten:
- Attraktivität als Arbeitgeber:
Für Arbeitgeber wird es zunehmend schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Eine betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung kann ein wichtiger Bestandteil eines attraktiven Gesamtpakets an Mitarbeiterleistungen sein und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber erhöhen. - Bessere Mitarbeiterbindung:
Durch den Abschluss der Versicherung können Arbeitgeber dazu beitragen, dass Mitarbeiter sich langfristig an das Unternehmen gebunden fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren. - Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit:
Die Gewissheit, im Falle einer Berufsunfähigkeit abgesichert zu sein, kann die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigern und das Betriebsklima verbessern.
Risiken des Arbeitgebers
Das Angebot einer betrieblichen und arbeitgeberfinanzierten Berufsunfähigkeitsversicherung für die Arbeitnehmer sollte gut durchdacht und geplant sein. Denn bei schlechter Vorbereitung gibt es auch Nachteile bzw. Risiken:
- Finanzielle Belastung:
In der Regel übernimmt der Arbeitgeber die Beiträge für die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung oder beteiligt sich zumindest daran. Wenn dies in der Versorgungsordnung so vereinbart ist, gilt dies nicht nur in finanziell guten, sondern auch in finanziell schlechten Zeiten. - Administrativer Aufwand:
Die Einrichtung und Verwaltung einer betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung erfordert einen gewissen administrativen Aufwand. Der Arbeitgeber muss eine auf seine Ziele und dem Gruppentarif abgestimmte Versorgungsordnung erstellen. Er muss auch sicherstellen, dass die Versicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt und die Versicherungsleistungen im Falle einer Berufsunfähigkeit korrekt ausgezahlt werden. - Personalpolitische Risiken:
Wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter bevorzugt oder andere benachteiligt, kann dies als ungerechte Behandlung empfunden werden und zu Konflikten oder sogar gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. - Haftungsrisiken:
Der Arbeitgeber trägt das Risiko, in der Versorgungsordnung versprochene Leistungen selbst zu erbringen, wenn die Versicherung nicht zahlen sollte; z. B. weil die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde oder der BU-Tarif Leistungsausschlüsse enthält.
Deshalb muss in der Versorgungsordnung exakt und verständlich geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen die betriebliche Absicherung gilt.
Außerdem sollte der Arbeitgeber verdeutlichen, ob der Versicherungsschutz auch bei fehlender Lohnfortzahlung (z. B. nach 6-wöchiger Krankheit, während der Elternzeit oder einem Sabbatical) erhalten bleibt oder welche Regelungen in diesen Zeiten gelten.
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich verdeutlichen, dass das Angebot einer betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung auch juristisch gut vorbereitet werden muss.
Vorteile der betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung für den Arbeitnehmer
Auch für Arbeitnehmer bietet die betriebliche Absicherung einige Vorteile. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer den rechtzeitigen Abschluss einer privaten Versicherung verpasst hat und nun aufgrund seiner Vorerkrankungen, seines Übergewichts oder eines risikoreichen Hobbys keine private BU-Versicherung zu akzeptablen Konditionen mehr bekommt. Dann ist die betriebliche BU-Absicherung in jedem Fall besser als die häufig beworbenen Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Die wesentlichsten Vorteile sind:
- vereinfachte Gesundheitsprüfung:
Der größte Vorteil besteht unbestritten in der teilweise stark vereinfachten Gesundheitsprüfung. Je nach Versicherer und Größe des Kollektivs ist der Abschluss sogar mit einer Dienstobliegenheitserklärung des Arbeitgebers möglich. - geringerer Beitragsaufwand:
Die Beitragszahlungen sind in der Regel steuer- und sozialabgabenfrei. Dadurch erscheinen die Beiträge meist günstiger als bei einer privaten Versicherung. Dies wird noch deutlicher, wenn der Arbeitgeber zumindest einen Teil der Beiträge übernimmt.
Was ist eine Dienstobliegenheitserklärung (DOE)
Bei Gruppenverträgen kann eine Dienstobliegenheitserklärung die sonst üblichen und umfangreichen Fragen zu Gesundheit und Freizeitrisiken der zu versichernden Person ersetzen. Mit der Dienstobliegenheitserklärung bestätigen der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer (Eigen-DOE) dem Versicherer, dass die zu versichernde Peron arbeitsfähig und nicht behindert ist – und auch in den letzten Jahren nicht längere Zeit krank war.
In der Dienstobliegenheitserklärung des Arbeitgebers fragt beispielsweise die Nürnberger Lebensversicherung AG:
- Ist die nachfolgend aufgeführte Person heute nicht arbeitsunfähig/krankgeschrieben bzw. krankgemeldet und war sie in den letzten 2 Jahren (bzw. seit Diensteintritt, soweit der Diensteintritt innerhalb der vergangenen 2 Jahre erfolgte) nicht länger als 4 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig/krankgeschrieben?
- Haben für die nachfolgend aufgeführte Person aktuell und in den letzten 2 Jahren (bzw. seit Diensteintritt, soweit der Diensteintritt innerhalb der vergangenen 2 Jahre erfolgte) keine Wiedereingliederungsmaßnahmen stattgefunden?
- Liegen Ihnen für die nachfolgend aufgeführte Person keine Kenntnisse vor über bestehende Behinderungen (darunter zu verstehen sind Schwerbehinderte bzw. gleichgestellte behinderte Menschen gem. § 2 SGB IX)
Mit einer solchen DOE können dann auch Arbeitnehmer versichert werden, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen keinen privaten BU-Vertrag mehr abschließen können.
Nachteile für den Arbeitnehmer
Wo Licht ist, ist auch Schatten. So hat die betriebliche gegenüber einer privat abgeschlossenen BU-Versicherung auch einige Nachteile für den Arbeitnehmer :
- keine freie Tarifwahl:
Bei der betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung wählt der Arbeitgeber den Versicherer aus. Der Arbeitnehmer hat keine Möglichkeit der Tarifauswahl und muss sich gegebenenfalls auch mit weniger optimalen Versicherungsbedingungen abfinden. - begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten:
Um das Risiko für den Versicherer bei solchen Gruppenverträgen mit vereinfachter Gesundheitsprüfung zu begrenzen, wird häufig die versicherbare BU-Rente und manchmal auch die Versicherungs- und Leistungsdauer begrenzt. Der Arbeitnehmer hat dann keine Möglichkeit, den Versicherungsschutz diesbezüglich individuell anzupassen. Insofern kann der Arbeitnehmer trotz betrieblicher Absicherung unzureichend abgesichert sein. - eingeschränkte Möglichkeiten bei Leistungsbeantragung:
Der Arbeitgeber ist Versicherungsnehmer. Im Falle einer Berufsunfähigkeit des versicherten Arbeitnehmers muss er die Ansprüche durchsetzen – auch wenn bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer das Unternehmen wegen der gesundheitlichen Beschwerden verlassen muss. - Besteuerung der BU-Rente:
Da die Beiträge für die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung steuerlich begünstigt waren, wird im Versicherungsfall die ausgezahlte BU-Rente in voller Höhe versteuert. Deshalb müsste die versicherte BU-Rente eigentlich höher vereinbart werden, was häufig an den festgesetzten Grenzen scheitert. - mangelnde Portabilität:
Grundsätzlich könnte bei einem Arbeitgeberwechsel die betrieblich abgeschlossene Versicherung durch den neuen Arbeitgeber übernommen werden. Aber gerade bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung wird der neue Arbeitgeber genau prüfen, ob die Bedingungen der zu übernehmenden Versicherung im Einklang mit seiner Versorgungsordnung stehen. Anderenfalls würde er unüberschaubare Risiken in Kauf nehmen. Deshalb erscheint eine Übernahme durch den neuen Arbeitgeber eher unrealistisch. Dann kann der Versicherte den Vertrag nur als Privatvertrag fortführen oder bei dem neuen Arbeitgeber eine neue Versicherung mit dem dann höheren Eintrittsalter abschließen – sofern die gesundheitlichen Voraussetzungen dies noch erlauben. - möglicher Verlust des Versicherungsschutzes:
Rechtliche Vorgaben und die Versorgungsordnung können Regelungen enthalten, die es dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, die Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen. Solche Bedingungen könnten beispielsweise eine Änderung der Unternehmensstruktur, eine Insolvenz oder andere wirtschaftliche Umstände sein. Gerade im fortgeschrittenen Alter dürfte es dem Arbeitnehmer dann schwer fallen, eine neue Versicherung privat abzuschließen.
Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Bleibt der Versicherungsschutz auch nach 6-wöchiger Krankheit bestehen? Wer übernimmt die Beitragszahlung, wenn die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber entfällt?
Diese Aufzählung soll lediglich beispielhaft mögliche Nachteile und Risiken für den Arbeitnehmer aufzeigen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Es gibt drei Möglichkeiten der Finanzierung:
- Arbeitgeberfinanzierung:
Der Arbeitgeber trägt die Kosten in voller Höhe und kann dies als Betriebsausgaben steuerlich geltend machen. - Arbeitnehmerfinanzierung:
Die Finanzierung erfolgt über eine Entgeltumwandlung. Der Beitrag reduziert das monatliche Bruttogehalt des Arbeitnehmers und ist somit steuer- und sozialabgabenfrei. Der Arbeitgeber gibt seine Sozialabgabenersparnis als Arbeitgeber-Zuschuss an den Arbeitnehmer weiter. - Mischfinanzierung:
Bei dieser Variante finanzieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Beiträge für die betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung.
Unser Tipp für Arbeitgeber:
Eine betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung kann helfen, leichter Arbeitskräfte gewinnen und die Mitarbeiter an sich binden. Um jedoch existenzbedrohende Haftungsrisiken zu vermeiden, ist eine juristisch „sattelfeste“ Versorgungsordnung wichtig, die auch auf die Bedingungen des BU-Gruppenvertrags abgestimmt ist.
Dieser muss wiederum so ausgestaltet sein, dass auch junge und gesunde Arbeitnehmer von den Konditionen des Gruppenvertrags profitieren. Anderenfalls würden sich nur Mitarbeiter für das betriebliche Angebot interessieren, die privat keine BU-Versicherung mehr bekommen oder nicht akzeptable Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge akzeptieren müssten.
Gruppenverträge mit stark vereinfachter Gesundheitsprüfung bzw. Dienstobliegenheitserklärungen gibt es übrigens bereits für Unternehmen ab 20 Mitarbeitern und 10 zu versichernden Personen.