Wer braucht eine Teilzeitklausel?

Teilzeitklausel – Berufsunfähigkeit bei Teilzeitbeschäftigung

Schriftzug Teilzeit

Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit arbeiteten 2018 von 15,1 Mio sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen 7,2 Mio in Teilzeit. Bei den Männern waren es von insgesamt 17,5 Mio nur 1,9 Mio.

Nicht alle - aber manche dieser Teilzeitkräfte werden mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung ohne passende Teilzeitklausel benachteiligt.

Lesen Sie nachfolgend, für wen eine solche Klausel sinnvoll sein kann und warum nicht alle jetzigen oder zukünftigen Teilzeitkräfte von der sogenannten „Teilzeitfalle“ betroffen sind.

Berufsunfähigkeitsversicherungen ohne Teilzeitklausel

Die Berufsunfähigkeitsrente wird erst ab einem vertraglich fixierten Grad der Berufsunfähigkeit gezahlt. Bei den meisten Tarifen sind dies 50 Prozent. Basis der Ermittlung ist der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war. Enthalten die Versicherungsbedingungen keine Teilzeitklausel, gilt dies auch für Teilzeitbeschäftigte.

Zur Verdeutlichung:

Eine mit einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich angestellte Erzieherin, ist – etwas vereinfacht ausgedrückt – also schon dann berufsunfähig, wenn sie ihre Tätigkeit nicht mehr zu mindestens 4 Stunden täglich ausüben kann. Ihre mit 4 Stunden täglich in Teilzeit angestellte Kollegin gilt dagegen normalerweise erst als berufsunfähig, wenn sie diese Tätigkeit keine 2 Stunden täglich mehr schafft. Die gesundheitlichen Beschwerden der in Teilzeit beschäftigten Kollegin müssen also deutlich höher sein, um Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen.

Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Teilzeitklausel können also Teilzeitbeschäftigte stark benachteiligt sein, denn:

  • Teilzeit- und Vollzeitkräfte müssen bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung die gleichen Gesundheitsfragen beantworten und die Antragsprüfung unterliegt auch den gleichen Regeln.
  • Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte zahlen bei sonst vergleichbaren Gegebenheiten die gleichen Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
  • Aber die gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen bei Teilzeitbeschäftigten deutlich höher sein, um als berufsunfähig zu gelten.

Eine Teilzeitklausel kann für Transparenz und mehr Gerechtigkeit sorgen

Besondere Klauseln für bestimmte Berufs- oder Personengruppen sind durchaus üblich. Und jeder Versicherer kann mit einer solchen Klausel seine Versicherungsbedingungen gegenüber den gesetzlichen Vorgaben verbessern oder zumindest für mehr Transparenz sorgen. Insofern ist es grundsätzlich lobenswert, wenn Versicherungsgesellschaften eine Teilzeitklausel in ihre Versicherungsbedingungen aufnehmen. Ob diese Klausel für den Versicherten einen echten Vorteil bringt, entscheidet der Wortlaut der jeweiligen Klausel.

In welchen Fällen ist die Klausel nicht erforderlich?

  1. Reduzierung der vertraglich vereinbarte Arbeitszeit aufgrund gesundheitlicher Beschwerden
    In diesem Fall bringt auch die beste Teilzeitklausel keine Vorteile – vorausgesetzt, Sie können auch nach Jahren der Teilzeittätigkeit den Grund der Arbeitszeitverkürzung nachweisen. Denn entsprechend den Versicherungsbedingungen gilt die zuletzt „ohne gesundheitliche Beeinträchtigung“ ausgeübte Tätigkeit als versichert. Folglich muss der BU-Grad weiterhin anhand der vorherigen Vollzeittätigkeit bzw. der längeren Arbeitszeit geprüft werden
  2. Vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit wegen Elternzeit bzw. Erziehung der Kinder
    Hierzu hat der BGH (Urteil vom 30. November 2011 - IV ZR 143/10) geklärt, dass die Leistungsprüfung auch ohne Teilzeitklausel anhand der vorher ausgeübten Tätigkeit zu erfolgen hat.
  3. Wechsel in Teilzeittätigkeit wegen Pflege eines Angehörigen.
    Auch in diesem Fall ist die Leistungsprüfung auf die zuvor ausgeübte Vollzeittätigkeit abzustellen. Dies wird unter anderem auch vom OLG Nürnberg (Urteil vom 30.11.2015, Az. 8 U 697/14) bestätigt.

Wann kann eine Teilzeitklausel hilfreich sein?

Wenn Sie Ihre Berufstätigkeit zu Gunsten einer besseren Work-Life-Balance reduzieren, kann eine gute Teilzeitklausel entscheidend für Leistung oder Nicht-Leistung sein. Sie kann auch hilfreich sein, wenn Sie nach jahrelanger Teilzeittätigkeit Schwierigkeiten haben, die damaligen gesundheitlichen Beschwerden als Begründung darzulegen.

Allerdings unterscheiden sich die aktuellen Klauseln der BU-Versicherer deutlich und verfolgen unterschiedliche Ziele. Manche Klausel bietet kaum einen Mehrwert für den Versicherten und zielt offenbar lediglich darauf, bei den Ratings der Analysehäuser als BU-Tarif mit Teilzeitklausel aufgeführt zu werden. Andere spiegeln den rechtlichen Rahmen wider und sorgen damit zumindest für etwas mehr Transparenz.

Derzeit bieten nur wenige Teilzeitklauseln einen echten Mehrwert für die Versicherten – und dann auch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Schauen wir uns nachfolgend die Klauseln für Teilzeitbeschäftigte ausgewählter Versicherer an:

Hannoversche Lebensversicherung AG (Stand: 09/2024)

Eine Teilzeittätigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person arbeitsvertraglich wöchentlich weniger als 30 Stunden arbeitet. In diesem Fall legen wir, sofern die Berufsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten nach dem tatsächlichen Beginn der Reduzierung auf eine Teilzeittätigkeit eintritt, die berufliche Tätigkeit in Art und Umfang vor der Reduzierung zu Grunde, sofern dies für die versicherte Person von Vorteil ist. Ist die Teilzeittätigkeit nachweislich aufgrund der Versorgung von kindergeldberechtigten Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen im Sinne des § 7 Absatz 3 Pflegezeitgesetz entstanden, muss die Berufsunfähigkeit innerhalb von 60 Monaten nach dem tatsächlichen Beginn der Reduzierung auf eine Teilzeittätigkeit eingetreten sein.

Diese Klausel gilt also grundsätzlich nicht für Selbstständige und Freiberufler, da die Anzahl der Arbeitszeit für diese Personen nicht arbeitsvertraglich geregelt ist. Nahezu wertlos wird die Klausel aber auch für Arbeitnehmer durch die zeitlichen Befristungen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer aus nicht-gesundheitlichen Gründen von einer Vollzeit- in eine Teilzeittätigkeit wechselt und danach innerhalb der oben genannten Fisten berufsunfähig wird?

Volkswohl Bund Lebensversicherung a.G (Stand: 06/2022)

Diese Teilzeitklausel ist in den Versicherungsbedingungen sehr aufwändig formuliert. Etwas vereinfacht und verkürzt dargestellt gilt:

Reduziert die versicherte Person innerhalb der Versicherungsdauer den zeitlichen Umfang ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Vollzeittätigkeit wegen

  • gesetzlicher Elternzeit (innerhalb der ersten 36 Monate),
  • Pflege eines Angehörigen in größerem Umfang (innerhalb der ersten 24 Monate) oder
  • Kurzarbeit (innerhalb der ersten 12 Monate)

auf eine Teilzeittätigkeit, so wird innerhalb der oben genannten Fristen (jeweils seit Reduzierung auf die Teilzeittätigkeit) bei der Prüfung des BU-Grads die vertraglich vereinbarte, wöchentliche Arbeitszeit der ursprünglichen Vollzeittätigkeit zugrunde gelegt.

Auch diese Klausel gilt nicht für Selbstständige und Freiberufler. Denn diese haben keine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Und sie bringt auch bereits in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern keine Vorteile, wenn sie ihre Arbeitszeit weiter reduzieren. Ansonsten entspricht die Klausel im Wesentlichen der aktuellen Rechtsprechung – bringt dem Versicherten also keinen wirklichen Mehrwert. Ob die genannten Fristen in jedem Fall einer rechtlichen Überprüfung standhalten, wage ich zu bezweifeln.

Alte Leipziger Lebensversicherung a.G. (Stand: 01/2023)

Ob der Versicherte berufsunfähig ist, beurteilen wir nach seinem zuletzt ausgeübten Beruf. Dieser Beruf kann auch in Teilzeit ausgeübt werden (Teilzeittätigkeit) oder sich aus mehreren verschiedenen beruflichen Teilzeittätigkeiten zusammensetzen (Mischtätigkeit). Wir betrachten, wie der zuletzt ausgeübte Beruf ausgestaltet war, als der Versicherte noch nicht gesundheitlich beeinträchtigt war.
Als Berufe zählen auch die Tätigkeiten folgender Personen
– Hausfrauen und Hausmänner,
– Schüler,
– Studenten und
– Auszubildende.
Auch bei diesen Berufen ist für die Beurteilung die vom Versicherten tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgeblich.

Im Anhang wird dann Mischtätigkeit wie folgt definiert: „Der Versicherte übt mehrere Berufe in Teilzeit aus. Für die Leistungsprüfung berücksichtigen wir in diesem Fall diese Tätigkeiten nebeneinander“.

Nun kann durchaus unterschiedlicher Ansicht sein, wenn zur Ermittlung des BU-Grads neben dem zuletzt in Teilzeit ausgeübten Beruf zusätzlich noch der Quasi-Beruf als Hausfrau/Hausmann in die Prüfung eingeht. Ich sehe es eher skeptisch. Ist eine in Erzieherin täglich 6 Stunden berufstätig und als solche zu 50 % berufsunfähig, könnte der BU-Grad verwässert werden, wenn die ebenfalls körperlich anstrengende, aber weniger stressige Tätigkeit als Hausfrau noch weitestgehend ausgeübt werden kann. Und es ist doch auch bekannt, dass sich zu Hause bei freier Zeiteinteilung und in Ruhe viele Tätigkeiten noch ausüben lassen, die unter dem Zeitdruck und der Aufsicht des Chefs oder der Mitarbeiter so nicht möglich wären.

Und wer legt fest, ob die Tätigkeiten als Hausfrau/Hausmann mit 2 Stunden (Differenz zum 8-Stunden-Arbeitstag) oder entsprechend des tatsächlichen Zeitaufwandes in die Bewertung einfließen?

Wie gesagt – ich sehe durch die Einbeziehung der Tätigkeit als Hausfrau/Hausmann eher Nachteile als Vorteile für den Versicherten und würde mir hier eine andere Regelung wünschen.

Dialog Lebensversicherungs-AG (Stand 10/2022)

Übt die versicherte Person zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls ihre berufliche Tätigkeit zeitlich eingeschränkt aus – Tätigkeit in Teilzeit – erfolgt eine Günstigerprüfung wie folgt:
  1. Es wird zunächst geprüft, ob die versicherte Person im Sinne des Absatz 1 bezogen auf ihre Tätigkeit in Teilzeit berufsunfähig ist. Ist dies der Fall, erhält die versicherte Person die vereinbarten Leistungen aus diesem Vertrag.
  2. Andernfalls wird zugunsten der versicherten Person zusätzlich geprüft, ob sie diese Tätigkeit in Teilzeit noch 3 Stunden oder mehr pro Arbeitstag ausüben könnte. Ist dies nicht der Fall, so erhält die versicherte Person ebenso die vereinbarten Leistungen aus diesem Vertrag.

Schön wäre gewesen, wenn die „Dialog“ hier ausdrücklich nochmals betont hätte, dass bei Teilzeitbeschäftigung wegen Elternzeit oder Pflege von Angehörigen entsprechend der Rechtsprechung die vorherige Arbeitszeit berücksichtigt wird.

Aber im Gegensatz zu vielen anderen Klauseln gilt die Günstigerprüfung auch für Selbstständige und freiberuflich Tätige. Und wichtig – sie gilt auch für Berufstätige, die schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Teilzeit tätig waren.

Durch die Günstigerpüfung wird sichergestellt, dass die Teilzeitklausel zu keiner Benachteiligung führen kann. Die Klausel bietet jedoch nur einen Mehrwert, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit weniger als 6 Stunden täglich tätig war.

Condor Lebensversicherungs-AG (Stand: 07/2022)

Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer aus anderen als medizinischen Gründen ihre vertraglich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Alle anderen Regelungen dieser Bedingungen (z. B. die Prüfung auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, so wie diese ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, und die damit verbundene Lebensstellung) bleiben hiervon unberührt. Nachweise über die jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen.
Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird (z. B. Kurzarbeit).
Schließen Sie die Berufsunfähigkeitsversicherung als Schülerin/Schüler oder als Studentin/Student ab, ist diese Tätigkeit eine Vollzeittätigkeit mit 40 Wochenarbeitsstunden.

Das Besondere an dieser Klausel ist, dass der Grad der Berufsunfähigkeit immer anhand der (während der Vertragsdauer) höchsten vertraglich fixierten wöchentlichen Arbeitszeit geprüft wird – ganz gleich, wann und wie oft die Arbeitszeit reduziert wurde.

Aber auch diese Klausel ist noch nicht allumfassend. Sie bietet keinen Vorteil, wenn die Teilzeitbeschäftigung schon bei Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung vorlag. Auch Selbstständige und Freiberufler ohne vertraglich vereinbarte Arbeitszeit können nicht von ihr profitieren.

Unser Tipp:

Tritt eine Berufsunfähigkeit während einer vorübergehenden Teilzeittätigkeit (z. B. Eltern- und Erziehungszeit, Pflege von Angehörigen, Kurzarbeit) ein, verpflichtet schon die Rechtsprechung die BU-Versicherer, den Grad der Berufsunfähigkeit anhand der zuvor ausgeübten Tätigkeit zu ermitteln. Dies gilt auch bei einer dauerhaften Reduzierung der Arbeitszeit wegen gesundheitlicher Beschwerden. Für diese Fälle wird keine Teilzeitklausel benötigt!

Wer jedoch aus anderen Gründen eine Teilzeittätigkeit ausübt oder später ausüben will (z. B. bessere Work-Life-Balance), sollte auf eine passende Teilzeitklausel achten.

Aber es gibt derzeit keinen BU-Versicherer, der eine allumfassende Teilzeitklausel anbietet. Und kaum jemand wird zum Zeitpunkt des Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung sagen können, ob und weshalb er später in eine Teilzeittätigkeit wechseln wird. Insofern gleicht die Wahl der passenden Klausel eher einer Spekulation.

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