Erwerbsminderungsklausel – wichtig oder verzichtbar?
Eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung zeichnet sich nicht nur durch niedrige Beiträge, sondern auch durch gute Versicherungsbedingungen aus.
So gibt es zahlreiche Klauseln, die
- den Versicherungsschutz verbessern (z. B. Verzicht auf abstrakte Verweisung),
- die Absicherung flexibler gestalten (z. B. Nachversicherungsgarantie),
- zusätzliche Leistungen einschließen (z. B. Arbeitsunfähigkeitsklausel) oder
- die Beantragung der Leistungen in bestimmten Fällen vereinfachen (z. B. Dienstunfähigkeitsklausel für Beamte).
Eine solche vereinfachte Leistungsbeantragung verspricht auch die Erwerbsminderungsklausel „Leistung bei voller Erwerbsminderung“. Aber hält die Klausel, was sie verspricht?
Wie ist der Wortlaut der Erwerbsminderungsklausel?
Die Klausel suggeriert eine vereinfachte Beantragung der BU-Rente, wenn ein Bescheid über den Bezug der vollen Erwerbsminderungsrente nachgewiesen werden kann. Eine typische Formulierung lautet so oder so ähnlich:
Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die versicherte Person erhält ausschließlich aus medizinischen Gründen eine volle, unbefristete Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
- Die zugrundeliegende Berufsunfähigkeitsversicherung besteht zum Zeitpunkt der Feststellung der Erwerbsminderung seit mehr als 10 Jahren.
- Die versicherte Person ist zum Zeitpunkt der Feststellung der Erwerbsminderung mindestens 50 Jahre alt.
Auf den ersten Blick klingt das ganz gut. Aber es genügt eben nicht, zur Beantragung der BU-Leistungen nur den Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung über den Bezug der vollen Erwerbsminderungsrente vorzulegen. Die versicherte Person muss auch noch nachweisen, dass diese ausschließlich aus medizinischen Gründen und unbefristet bewilligt wurde. Und das könnte durchaus problematisch werden. Schauen wir uns hierzu folgende Punkte etwas genauer an.
Wer erhält eine volle Erwerbsminderungsrente?
Die volle Erwerbsminderungsrente erhalten nur Personen, die die versicherungstechnischen Voraussetzungen (Wartezeit und Pflichtbeiträge) erfüllen und aus gesundheitlichen Gründen gar keiner Berufstätigkeit mehr für mindestens drei Stunden täglich nachgehen können. Sowohl der bisher ausgeübte Beruf als auch die dadurch erreichte Lebensstellung bleiben dabei unberücksichtigt.
Die Ablehnungsquote ist mit ca. 43,7 % sehr hoch. So wurden beispielsweise im Jahr 2023 von 342.407 bearbeiteten Anträgen auf Erwerbsminderungsrente nur 149.568 bewilligt.
Die Erwerbsminderungsrente wird grundsätzlich befristet – längstens drei Jahre. Allerdings kann die Befristung auch bis zu dreimal in Folge ausgesprochen werden. Eine unbefristete Rente gibt es nur, wenn aus ärztlicher Sicht eine Besserung des Gesundheitszustandes absolut unwahrscheinlich ist.
Eine volle Erwerbsminderungsrente können aber auch teilweise Erwerbsgeminderte erhalten, wenn kein geeigneter Teilzeitarbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden kann.
Die Knackpunkte der Erwerbsminderungsklausel
Wenn der Nachweis des Bezugs einer unbefristeten vollen Erwerbsminderungsrente für die Bewilligung der BU-Rente ausreichend wäre, könnte dies dem Versicherten den Aufwand ersparen, detaillierte Nachweise zur Feststellung des 50%igen BU-Grads zu erbringen. Die Klausel könnte auch eventuelle Streitigkeiten mit dem Versicherer über den genauen Grad der Berufsunfähigkeit vermeiden und so zu einer schnellen Leistung der BU-Rente führen.
Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail, denn:
- Alle uns bekannten Klauseln gelten erst ab einem bestimmten Mindestalter der versicherten Person. Vor dessen Erreichen ist die Klausel wertlos.
- Bei vielen Tarifen kommt die Klausel erst nach mehreren Jahren des Bestehens der Berufsunfähigkeitsversicherung zum Tragen.
- Die volle Erwerbsminderungsrente muss unbefristet bewilligt worden sein. Da diese dreimal hintereinander bis zu 3 Jahren befristet werden kann, wird die Erwerbsminderungsklausel unter Umständen erst 9 Jahre nach der erstmaliger Bewilligung der Erwerbsminderungsrente wirksam.
- Die volle Erwerbsminderungsrente muss bei den meisten Tarifen auch ausschließlich aus medizinischen Gründen bewilligt worden sein. Wurde die Rente wegen eines fehlenden Teilzeitarbeitsplatzes in voller Höhe gewährt, ist die Erwerbsminderungsklausel wertlos.
- Wurde die Erwerbsminderungsrente wegen einer Gesundheitsstörung bewilligt, die im BU-Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen wurde, kommt die Erwerbsminderungsklausel auch nicht zur Geltung.
Daraus ergibt sich eine Frage:
Kann jemand eine volle, unbefristete Erwerbsminderungsrente ausschließlich aus medizinischen Gründen erhalten, ohne auch berufsunfähig im Sinne einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu sein?
Das ist schwer vorstellbar. Denn wenn jemand gar keine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 3 Stunden täglich ausüben kann, dann wird er sehr wahrscheinlich auch seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit nicht mehr zu mindestens 50 % ausüben können.
Eine Ausnahme gibt es doch:
Nehmen wir an, ein Versicherter war vor Eintritt seiner Berufsunfähigkeit aus nicht-gesundheitlichen Gründen – also wegen einer besseren Work-Life-Balance – nur 5 Stunden täglich tätig. Dann wäre er (rein zeitlich gesehen) erst zu 50 % berufsunfähig, wenn er diese Tätigkeit keine 2½ Stunden mehr ausüben könnte. Kann er dies gerade noch, wäre er noch nicht berufsunfähig. Kann er aber nachweisen, dass er nicht nur seine, sondern gar keine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr für mindestens 3 Stunden täglich ausüben kann, dann wäre er noch nicht berufsunfähig, aber durchaus voll erwerbsgemindert.
Zugegeben, dies ist ein sehr theoretischer und sicherlich auch selten eintretender Fall. Und bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit guter Teilzeitklausel kann dieser Fall überhaupt nicht eintreten.
Maklers Meinung:
In den meisten Fällen dürfte es noch viel aufwändiger und langwieriger sein, eine volle und unbefristete Erwerbsminderungsrente zu erhalten, als dem BU-Versicherer den erforderlichen Grad der Berufsunfähigkeit nachzuweisen. Es dürfte dem Versicherten auch kaum zumutbar zu sein, 3 oder im Extremfall sogar 9 Jahre abzuwarten, bis die Erwerbsminderungsrente unbefristet bewilligt wird.
Insofern stellt sich schon die Frage, ob die Erwerbsminderungsklausel einen wirklichen Mehrwert bietet oder nur ein gut klingendes Marketinginstrument darstellt.
Die Erwerbsminderungsklausel kann zwar keinen Schaden anrichten. Aber wir empfehlen, die Entscheidung für oder gegen einen Tarif nicht von dieser Klausel
abhängig machen.