Das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS)
erstellt am 05.01.2020
Den deutschen Versicherern entsteht laut Angaben des GDV (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft) durch fehlerhafte, unwahre, unvollständige oder gar betrügerischer Angaben jährlich ein Schaden von rund vier Milliarden Euro. Um Versicherungsunternehmen und Versichertengemeinschaft vor Betrug und Missbrauch zu schützen, betreibt die Versicherungswirtschaft seit 1993 ein Hinweis- und Informationssystem (HIS; auch bekannt als Uniwagnis-Datei). Aus Datenschutzgründen wurde der Betrieb der Auskunftei zum 01.04.2011 ausgelagert und komplett neu entwickelt. Aktuell wird das Informationssystem von der informa HIS GmbH, einem Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe, betrieben.
Das HIS ist für sämtliche Versicherungssparten konzipiert, außer für die private Krankenversicherung. Aus Datenschutzgründen trennt das HIS die Einträge streng nach folgenden Sparten:
- Kraftfahrtversicherungen,
- Unfallversicherungen,
- Rechtsschutzversicherungen,
- Sachversicherungen (Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen),
- Lebensversicherungen (inkl. Berufsunfähigkeitsversicherungen),
- Transportversicherungen und
- Haftpflichtversicherungen.
Durch die strenge Spartentrennung darf laut Informationsblatt des GDV beispielsweise ein Sachbearbeiter, der Leistungsfälle in der Kraftfahrtversicherung bearbeitet, nur im Schadensfall und nur in der Sparte Kraftfahrt an das HIS melden und Daten abfragen.
Ein Eintrag in der Sparte „Kraftfahrt“ kann also nicht vom Antrags- oder Leistungsprüfer aus dem Bereich Lebensversicherungen eingesehen werden.
Nachfolgend betrachten wir Funktionsweise und Auswirkungen des Informationssystems am Beispiel der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Wann erfolgt eine Meldung an das Hinweis- und Informationssystem?
Datenschutzrechtliche Voraussetzung für eine Meldung in das HIS ist die Zustimmung des Betroffenen. Die diesbezügliche Einwilligungsklausel zur Datenweitergabe ist meist bereits im Antragsformular enthalten. Die Einwilligung erfolgt durch Unterschrift des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person.
Meldegründe sind bei Berufsunfähigkeitsversicherungen insbesondere erhöhte Gesundheitsrisiken der zu versichernden Person. Dies ist auf jeden Fall dann gegeben, wenn der Antrag nur zu erschwerten Bedingungen (Risikozuschlag und/oder Leistungsausschluss) angenommen werden kann oder zurückgestellt bzw. abgelehnt werden muss. Die Gesundheitsdaten selbst werden jedoch nicht gespeichert.
Doch auch andere Risiken, die eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit vermuten lassen, können zu einem HIS-Eintrag führen. Der GDV benennt hierzu in seinem Informationsblatt beispielsweise einen als besonders gefahrträchtig einzustufenden Beruf. Es ist anzunehmen, dass auch besonders gefahrträchtige Hobbys zu einer Einmeldung führen.
Es kann aber auch die Höhe der versicherten BU-Rente erfasst werden, um eine Überversicherung zu vermeiden. Denn nach Ansicht der Versicherungswirtschaft könnte ein Überversicherter ein verringertes Interesse haben, den Versicherungsfall durch Vorsicht und Prävention zu vermeiden
Ein Eintrag in das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft ist also auch möglich, wenn gar kein Versicherungsvertrag zustande gekommen ist!
Welche Konsequenzen hat ein Eintrag in das HIS?
Der GDV betont zwar, dass kein Vertrag wegen einer HIS-Meldung abgelehnt wird. Aber ein bereits vorhandener Eintrag ist für den Versicherer durchaus ein Signal, die Antragsprüfung etwas genauer durchzuführen. Dies kann durchaus Folgen haben, wie folgendes theoretische Beispiel zeigt.
Sie beantragen eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Versicherer, der in seinem Antragsformular nur nach behandlungsbedürftigen Rückenbeschwerden innerhalb der letzten 3 Jahre fragt. Diese Frage können Sie ruhigen Gewissens verneinen, weil inzwischen schon mehr als 3 Jahre vergangen sind. Hatten Sie allerdings schon vorher mal einen Antrag bei einem anderen Versicherer gestellt und dessen Angebot mit Ausschluss der Wirbelsäule abgelehnt, könnte eine Einmeldung in das Hinweis- und Informationssystem erfolgt sein. Durch diesen Eintrag könnte der neue Versicherer von den damals erschwerten Bedingungen erfahren und nun Zusatzfragen stellen, die er normalerweise nicht gestellt hätte. Ob ein Abschluss dann noch zu Normalkonditionen möglich wird, ist zumindest fraglich.
Von einem echten Fall berichtet Maklerkollege Matthias Helberg auf seinem Blog. Das Brisante daran: Nur weil der Eintrag nicht fristgerecht gelöscht wurde und damit rechtswidrig war, erhielt der Interessent nicht die gewünschte Berufsunfähigkeitsversicherung.
Wie kann man einen HIS-Eintrag vermeiden?
Die einzig sichere Methode ist, die Berufsunfähigkeitsversicherung bei einer Gesellschaft zu beantragen, die nicht mit dem Hinweis- und Informationssystem arbeitet und dort auch keine Einmeldungen vornimmt. Das sind nach den mir vorliegenden Informationen derzeit (Stand 05/2022):
Keine HIS-Einträge zu befürchten sind beispielsweise bei:
- Allianz Lebensversicherungs-AG,
- Alte Leipziger Lebensversicherung a.G.,
- AXA Lebensversicherung AG,
- Continentale Lebensversicherung a.G.,
- Dialog Lebensversicherungs-AG,
- InterRisk Lebensversicherung AG,
- Lebensversicherung von 1871 a.G. München,
- Volkswohl Bund Lebensversicherung a.G. und
Die Gefahr einer Einmeldung besteht beispielsweise bei:
- Baloise Lebensversicherung AG Deutschland,
- ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG
- Nürnberger Lebensversicherung AG,
- Württembergische Lebensversicherung AG und
- Zurich Lebensversicherung AG.
Schützt eine Risikovoranfrage vor einem HIS-Eintrag?
Natürlich kann ein Versicherungsmakler eine Einmeldung zunächst vermeiden, indem er statt eines Antrags vorerst nur eine Risiko-Voranfrage stellt. Aber spätestens mit Antragstellung bei einem mit dem HIS kooperierenden BU-Versicherer, besteht wieder die Gefahr einer Einmeldung. Denn ob erhöhte Gesundheits- oder Freizeitrisiken vorliegen, entscheidet der jeweilige Bearbeiter. Und selbst wenn der Antrag „noch zu Normalkonditionen“ angenommen werden kann, schließt das ein erhöhtes Risiko nicht aus. Außerdem kann die Einmeldung - wie bereits oben erwähnt - auch allein auf Grund der beantragten Höhe der Berufsunfähigkeitsversicherung erfolgen.
Wann wird ein Eintrag wieder gelöscht?
Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir zwischen Antragspool (Beantragung der Berufsunfähigkeitsversicherung) und Leistungspool (Beantragung der Berufsunfähigkeitsrente) unterscheiden.
- Im Antragspool
Bei nicht zustande gekommenen Verträgen bleibt der Eintrag für das laufende Kalenderjahr und 3 Folgejahre bestehen. Bei abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherungen bleibt er für das laufende Kalenderjahr und 4 Folgejahre erhalten. Erfolgt während der Speicherfrist eine erneute Einmeldung, verlängert sich die Speicherfrist. Die Höchstspeicherdauer beträgt 10 Jahre. - Im Leistungspool
Bei Auffälligkeiten im Leistungsfall, beträgt die Speicherfrist 10 Jahre. Die Meldung einer Auffälligkeit bedeutet jedoch nicht, dass ein Betrugsversuch vorgelegen hat.
Da es in der Vergangenheit durchaus schon Pannen bei der fristgerechten Löschung von Einträgen gegeben hat, lohnt sich die regelmäßige Kontrolle. Seit dem 25.05.2018 ist eine Auskunft pro Jahr kostenlos. Sie können hierzu das Online-Formular der informa HIS GmbH nutzen.
Unsere Meinung:
Das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft soll Versicherer und Versicherte vor Betrug und Missbrauch schützen. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar. Aber im Antragspool werden auch - vielleicht sogar hauptsächlich - die Antragsteller erfasst, die ihre erhöhten Gesundheits- oder Berufsrisiken im Antrag ehrlich angegeben haben. Und das darf nicht sein. Denn es gleicht einer Vorverurteilung. Schließlich wird ihnen zumindest indirekt unterstellt, beim nächsten Antrag könnten sie die erhöhten Risiken verschweigen!
Auch die Erfassung von beantragten BU-Renten „ab einer bestimmten Höhe“ ist nicht nur intransparent - sie unterstellt jedem der erfassten Antragstellern, eine Überversicherung zu planen.
Wenn ein BU-Versicherer mit einem solchen Hinweis- und Informationssystem kooperiert, so fehlt ihm offensichtlich das Vertrauen zu seinen Versicherten. Aber gegenseitiges Vertrauen ist nunmal Voraussetzung für einen so wichtigen und langlaufenden Vertrag zur Absicherung der Arbeitskraft.